Die Waldorf-Maschsee-Welt in den Augen von Neuankömmlingen

Bekanntlich hat jede Medaille zwei Seiten – eine mit einem emotionalen Symbol und die andere mit einer sachlichen Ziffer. Im Alltag bleibt üblicherweise die sachliche Ziffer präsent, die uns am ehesten den Wert der Medaille abrufen lässt. Daran musste ich in der ersten Phase unserer Waldorfschulzeit denken. Ich fragte mich immer wieder, ob die vielen bunten Menschen, die ich auf dem Gelände wahrnehmen konnte, noch bewusst erleben, wie schön diese Schule mit allem Zipp und Zapp ist? Die „Stadtteil-Schule“ unseres Sohnes Lucas zeigt sich extrem klassisch – mit viel Grau und Beton. Bunt wirkt sie allenfalls, wenn selbstgemalte Bilder der Schüler ausgehängt werden. Hier bringen also die Kinder Farbe an den Ort, an dem sie eigentlich inspiriert werden sollen. Ein Grund mehr für unseren Entschluss: Lucas soll möglichst das lebendige Umfeld der Waldorfschule am Maschsee während seiner Schulzeit erleben können.

Soviel zur Theorie - die Praxis hat uns kleine Familie dann begeistert staunen lassen. Deshalb möchte ich gerne hier ein paar Auffrischungs-Ah‘s und -Oh‘s mit denjenigen teilen, die durch ihren Alltagstrott eventuell eher die sachliche Seite der Medaille für diese besondere Schule im Blick haben:

• Die Umgebung: einzigartiger Blick auf den Maschsee – einfach nochmal auf das Wasser schauen, bevor alle mit dem Schulalltag beginnen: einatmen – ausatmen – zentriert sein.
• Der Schul-Innenhof: die Gebäude blicken ehrwürdig und gelassen in den Hof. Es gibt Grün, Bäume, überdachte Begegnungspunkte, Bänke, Klettergerüste – selbst in den wuseligen Unterrichtspausen wirkt der Platz auf besondere Art entspannt.
• Die Schulküche: wow, gesunde Verpflegung, warmes Essen mittags, wie Energie spendend.
• Das Schulbüro: Hier ist zu erleben, dass die Kinder mit ihren Anliegen liebevoll betreut werden und sofort Unterstützung erhalten, wenn sie etwas benötigen. Und alles andere wird genauso achtsam zum Wohle aller erledigt.
• Das Wäldchen: Wunsch-Wunderland und natürlicher, geborgener Experimentierraum. Der Zaun drumherum ist nicht wahrnehmbar – und wenn, wirkt er schützend und nicht hemmend.
• Die Gärtnerei: so riesig, so vielfältig, bunt und inspirierend. Eine natürliche, geordnete Unordnung und jederzeit offen für die Kinder.
• Das kleine Freibad: Gefühlt gibt schon der Anblick ein großes Stück Sommer-Leichtigkeit.
• Die Morgensternbuchhandlung: liebevoller Service, mit tollen Tipps, hier weiß das Team was gebraucht wird, wenn etwas nicht da ist, wird es besorgt – ganz einfach.
• Die Kletterhalle: Sie bietet scheinbar die Möglichkeit, ein Hobby zum „Schul-Beruf“ zu machen. Mir ist keine weitere Schule bekannt, die eine solche Halle hat.
• Der Werkraum: Hier riecht es tatsächlich noch nach Holz – Duft, Ausstattung und die Energie des Raumes erinnern an Meister Eder und wirken nach kreativem Schaffen.
• Die Backstube: der Gedanke an alte Märchen wird wiederbelebt.
• Der Musikraum: Dieser Raum vermittelt das Gefühl, dass jeder, der hier musiziert, auf seiner ganz persönlichen Bühne stehen kann.
• Der Hort: Beim Betreten der Räume glaubte ich zunächst an die Wohnung einer Zwergen-WG. Sollte ich nochmal in eine WG ziehen – dann bitte in eines dieser kuschligen Nester.
• ...

Habe ich etwas vergessen? Bestimmt! Denn ich bin sicher: Es gibt hier noch vieles mehr und vieles immer wieder neu zu entdecken! Besonders bei dem Gedanken an all die wunderbaren Menschen, die diesen Ort mit fröhlichem Leben füllen und zu dem machen, was er ist.

Viel Freude beim wieder bewusster Erleben der Waldorfschule am Maschsee!

Wibke Thies (E), Foto: Wibke (rechts) und Vivien Thies mit Lucas. Foto: privat